Bildung durch Recht? Juristisches Denken als demokratische Kernkompetenz (Vortragsreihe "Kritik und Bildung – wie Orientierung entsteht")
Kostenfrei
Vortragsreihe "Kritik und Bildung – wie Orientierung entsteht" an der Hochschule Konstanz
Die Vortragsreihe wendet sich ausdrücklich an ein Publikum ohne Vorkenntnisse in Philosophie, Ideen- oder Kulturgeschich -te, hat also einführenden Charakter.
Veranstaltungsdetails
Öffentlicher Vortrag von Prof. Dr. iur. Malte Graßhof; Präsident des Verfassungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg
Unser Leben wird von Rechtsnormen bestimmt. Parallel zu der tatsächlichen Welt, in der »Naturgesetze« gelten, haben wir eine künstliche Welt errichtet, in der Vorschriften fast jeden Aspekt menschlichen Handelns regeln. Der Umgang mit Gesetzen ist daher selbstverständlicher Bestandteil des sozialen Lebens.
In einer Demokratie sind aber die Bürgerinnen und Bürger nicht nur Gesetzesunterworfene, sondern besitzen auch die Möglichkeit, das Recht zu gestalten, zum einen durch Wahlen und Abstimmungen, zum anderen als Mitglieder von Parteien und Bürgerinitiativen und mit der Teilnahme am (gerade durch neue Medien noch einmal beschleunigten) gesellschaftlichen Diskurs.
Zudem setzt der demokratische Rechtsstaat primär auf eine Normbefolgung kraft Einsicht, die ein Grundverständnis für die jeweiligen gesetzgeberischen Ziele und ihre Umsetzung voraussetzt. Unser Verfassungsstaat stellt also erhebliche Anforderungen an die Kompetenz der Bürgerinnen und Bürger, die sich in der Welt der Normen genauso sicher bewegen sollten wie in der realen Umgebung.
Diese erforderliche Kompetenz ist im Wesentlichen eine juristische Kompetenz, auch wenn dies nur selten so formuliert wird. Gefragt werden soll daher, welche juristischen Grundgedanken in den staatsbürgerlichen Bildungskanon aufgenommen werden sollten, etwa Methoden der Auslegung, die Unterscheidung zwischen formeller und materieller Rechtsmäßigkeit, das Denken in Zuständigkeiten und Verfahren, prozedurale Gerechtigkeitssicherungen sowie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als regulativer Rationalitätsmaßstab.
Malte Graßhof ist Präsident des Verfassungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg. Er studierte Rechtswissenschaften in Bonn und Freiburg im Breisgau, absolvierte das Rechtsreferendariat in Heidelberg und war als Verwaltungsrichter in Sigmaringen, Karlsruhe, Stuttgart und Mannheim tätig, mit Stationen u. a. als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesverfassungsgericht sowie als Referatsleiter im baden-württembergischen Justizministerium. Prof. Dr. Graßhoff ist Honorarprofessor der Universität Tübingen.
Vortragsreihe "Kritik und Bildung – wie Orientierung entsteht":
Kritik ist seit der griechischen Antike Wert und Methode zugleich und dürfte ein Grund baustein von Bildung sein. Bil dung ist bekanntlich mehr als das Verfügen über Fach wissen, und sie erschöpft sich nicht in beruflicher Kompetenz. Bildung solle, so wird oft vermutet, dem Menschen dabei helfen, seine Persön lichkeit zu entwickeln und zu gestalten, seinen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten und ihm gar Orientierungs wissen an die Hand geben. Selbstredend sind basale Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen Voraussetzung im Erwerb von Bildung. Was aber gehörte schon immer und was gehörte in unseren Tagen dazu? Was sollte man lernen, können, wissen, um Kritik nutzen und üben zu können? Sollte man über rhetorisches Wissen und Fähigkeiten verfügen, gar logisch denken und argumentieren können? Diesen und weiteren Fragen wird die Vortragsreihe nachgehen.
Die Vortragsreihe wendet sich ausdrücklich an ein Publikum ohne geistes- oder sozialwissenschaftliche Vorkenntnisse, hat also einführenden Charakter.